Kennen Sie das: Zu ein und demselben Thema finden Sie zahlreiche, manchmal sich völlig widersprechende Aussagen? Wie erkennen Sie nun, welche Aussagen richtig sind und welche falsch?
Wenn wir von falschen Aussagen sprechen, meinen wir nicht irgendwelche Verständnisfehler oder Fehler, die beim Abschreiben von Fakten entstanden sind: Wir meinen Informationen, die bewusst falsch sind, bei denen Menschen bewusst und gezielt getäuscht und belogen werden – um sie zu manipulieren. So genannte „Fake News“.
Oftmals geht es bei gezielten Falschinformationen um Macht und Geld geht oder um die Angst, diese zu verlieren. Mächtige Interessengruppen fahren aufwendige Medienkampagnen, um ihre „alternativen Fakten“ kontinuierlich unter die Leute zu bringen. Dabei geht es manchmal gar nicht darum, wirklich Recht zu behalten, sondern vor allem um eines: Zweifel zu säen an den echten Fakten.
Deshalb starten wir heute eine kleine Reihe dazu, wie Desinformation funktioniert und wie Sie sie entlarven. Damit Sie sie nicht in Ihre Texte übernehmen (oder wenn, das wenigstens bewusst tun. Doch wir vertrauen Ihnen: Das würden Sie nicht tun).
Unser erster Teil beginnt mit der Frage: Wie unterscheiden Sie, ob jemand wirklich etwas zu dem Thema zu sagen hat?
Laut Wikipedia ist „die Desinformation […] entweder [eine] direkte Lüge oder besteht indirekt aus subtiler Unterdrückung, Verschweigen oder Ablenken von überprüften Fakten oder indem falsche Meinungen impliziert werden.“
Diese Bestimmung deutet schon darauf hin, dass hier geschickt und ganz bewusst mit subtilen Mitteln gearbeitet wird.
Das Schlimme ist: Selbst in Quellen, die wir eigentlich als seriös und vertrauenswürdig einstufen, finden sich immer wieder Beispiele von Desinformation: in etablierten überregionalen Zeitungen, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, auf Wissensportalen für Schulen (besonders perfide) usw.
Wem vertrauen Sie, wenn Sie über etwas nicht Bescheid wissen? Genau: jemandem, der:die über das Thema Bescheid weiß. Also Expert:innen.
Wenn ich (bewussten Falsch-)Informationen also einen Anstrich von Seriosität geben will, habe ich mehrere Möglichkeiten, wie ich meine Expert:innen auswähle, um meine Position zu unterstreichen.
Da wir uns gern in unseren Meinungen bestätigt sehen, suchen wir aus der Vielzahl aller Expert:innen vielleicht am liebsten jene heraus, die unsere Position vertreten. Nicht selten sind dies Stimmen, die in der wissenschaftlichen Community umstritten sind. In der Debatte werden sie dann gerne zu Widerständlern oder zur unbequemen Stimme hochstilisiert.
Als jemand, der:die den „Mut“ hat, gegen den so genannten „Mainstream“ zu sprechen. Dieser „Mainstream“ ist übrigens nichts anderes als der wissenschaftliche Konsens. Statt der sachlichen Formulierung nutzt man hier ein polemisches Schlagwort. Das gehört zur Methode.
Da es immer auch Wissenschaftler:innen gibt, die hoffen, sich durch eine auffallend neue Position einen Namen zu machen, ist es häufig nicht schwer, jemanden zu finden.
Während ihres Studiums der Kulturanthropologie war Nadjas Hauptfach Wissenschaftsforschung. Darin hat sie erkannt: Auch wissenschaftliche Forschung ist nicht immer frei von der Weltsicht der Forscher:innen – und oftmals auch nicht von ihren finanziellen Interessen.
Gerade deshalb gibt es ja die Wissenschaftsgemeinschaft mit aufwendigen Peer-Review-Verfahren, in denen in mehreren Stufen immer wieder geprüft wird, ob Studienergebnisse oder Theorien zu halten sind.
Sicher ist es häufig gut, den wissenschaftlichen Konsens zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Viele neue Ideen wurden zunächst verlacht. Beim näheren Hinschauen haben die Expert:innen sie jedoch anerkannt – weil sie wissenschaftlich fundiert waren.
Daher schauen Sie genau hin: Wenn die anderen Expert:innen im Fachgebiet die fragliche Theorie im Peer Review immer und immer wieder ablehnen, Ergebnisse nicht nachvollziehen können oder die Wissenschaftlichkeit in Frage stellen, dann ist es ebenfalls angebracht, Zweifel an der „kontroversen Meinung“ zu haben.
Gerne kommen auch Wissenschaftler:innen aus benachbarten Disziplinen zu Wort, um den Anschein von Fachkompetenz zu erwecken. Bei näherem Betrachten stellt sich aber heraus, dass sie zum aktuellen Thema nur ihre Meinung kundtun wollen, ohne wirklich intensiv geforscht zu haben.
Wenn wir uns aber bewusst machen, wie spezialisiert unser Wissen heute ist, dann kann ein echter Experte / eine echte Expertin nur jemand sein, der:die sich wirklich genau mit dem gefragten Gebiet intensiv beschäftigt hat.
Hier haben wir ein Beispiel aus der aktuellen Diskussion um verschiedene Positionen zu Corona.
Als Gegenposition zur Einschätzung von Prof. Christian Drosten wird gerne Prof. Sucharit Bhakdi genannt. Er hatte eine Professur für Medizinische Mikrobiologie. Er arbeitete zu Malaria- und Dengue-Fieber, beschäftigte sich überwiegend mit Bakterien; zu Corona-Viren hingegen hat er nicht geforscht.
Auf den ersten Blick ist er ein Experte – doch nur für sein Gebiet. Bakterien und Viren, das sind nun aber völlig verschiedene Dinge. Auch wenn beide sehr, sehr klein sind.
Anders hingegen Prof. Christian Drosten. Er forscht seit Jahren zu Corona-Viren, publiziert regelmäßig peer reviewed. Seine Forschungsergebnisse auf dem Gebiet sind international anerkannt. Gleichzeitig sagt er ganz klar:
Er spricht nur deshalb in der Öffentlichkeit, weil er seit Jahren zu Corona-Viren forscht. Schon bei einem anderen Virus (oder eben zu Bakterien) würde er nichts sagen. Denn sein Spezialgebiet sind nur Corona-Viren. Und diese – für den Laien – nur minimalen Unterschiede machen in der Fachwelt Universen aus.
Das ist nicht immer eine bewusste Form der Desinformation, aber sie passiert: Gerade in den Medien geht es häufig um den Unterhaltungs- und Skandalwert.
Daher findet die Auswahl in den Medien nicht immer nur nach der fachlichen Kompetenz der Personen statt. Viele Redaktionen haben lieber den redegewandten Tausendsassa als die eher nüchterne, sehr ernsthafte Professorin, selbst wenn diese sich in der Fachwelt durch unermüdliches Forschen einen herausragenden Ruf erworben hat.
So wird in den Medien oftmals der Eindruck erweckt, es gebe zwei gleichberechtigte nebeneinander stehende Positionen. Auch dann, wenn in Wirklichkeit die überwältigende Mehrheit der Expert:innen Position A vertritt und etwa nur ein Prozent Position B.
Laut Pressekodex müssten doch, denken wir, die Redaktionen stets kritisch prüfen, ob die „Fakten“ stimmen. Gelten doch Wahrhaftigkeit und sorgfältige Recherche als die obersten Gebote der Medienarbeit.
Im Kampf um die Aufmerksamkeit sieht die Wirklichkeit häufig anders aus.
Also: Schauen Sie sich die so genannten Expert:innen genau an. Fragen Sie sich, was diese als ebensolche auszeichnet und ob es wirklich um Aufklärung geht. Und schreiben Sie uns von Ihren Erfahrungen mit Desinformation.
Herzlichst,
Franziska Nauck und Nadja Buoyardane
Business-Schreibkurse