Wir Menschen handeln rational und lassen uns in unserem Tun von schlüssigen Argumenten leiten. Daher brauche ich in meinen Texten meine Argumente nur klar und deutlich aufzuführen und schon rufen alle: „Überzeugt!“ – Haha, schön wär’s.
Verzerrte Wahrnehmung
Wir schauen auf unsere hochkomplexe Welt nicht, wie sie ist, sondern bilden in unserer Wahrnehmung ein vereinfachtes Modell der Realität nach. Nur so sind wir entscheidungs- und handlungsfähig. Schließlich können wir nicht alles vollständig verstehen und würden beim Versuch, alle Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten zu durchdenken, komplett blockiert.
Das Problem: Diese vereinfachte und dadurch verzerrte Wahrnehmung führt häufig zu irrationalen und fatalen Fehlentscheidungen.
Die Bestätigungsheuristik
Es gibt verschiedene Typen von Wahrnehmungsverzerrung: Sehr oft lässt sich die Bestätigungsheuristik beobachten (auch: Confirmation Bias). Diese schauen wir uns heute näher an.
Heuristik, was heißt das? Mir (Franziska) gefällt die Übersetzung „Denkabkürzung“ ganz gut, um den Begriff allgemein zu verstehen: Anhand von bestimmten Anhaltspunkten und Erfahrungen ziehen wir unsere Schlüsse, ohne sämtliche Informationen zu haben, die dafür eigentlich notwendig sind. Kurz: Wir vereinfachen uns die Welt, um möglichst schnell zu praktikablen Lösungen und Entscheidungen zu kommen.
Bestes Beispiel für solch eine hilfreiche Vereinfachung sind Empfehlungen: Ich bin dankbar, wenn mir die Nachbarin eine gute Hausarztpraxis nennt. So spare ich mir die aufwendige Recherche, welche Praxis denn nun besonders kompetent, freundlich, gut organisiert und schnell zu erreichen ist.
Von der Bestätigungsvereinfachung zum Bestätigungsfehler
Wo liegt dann aber das Problem? Wir neigen dazu, vor allem solche Informationen aufzunehmen, die unser bisheriges Wissen und unsere Werte bestätigen oder vertiefen. Informationen, die unserem bisherigen Wissen entgegenstehen, blenden wir hingegen gerne aus. Unsere Sichtweise auf die Welt bleibt so erhalten, egal ob sie den Tatsachen entspricht oder nicht.
In diesem Fall führt die Vereinfachung zu Fehlschlüssen. So wird aus der – erst einmal wertfreien – Bestätigungsheuristik ein „Bestätigungsfehler“. Es ist sehr hilfreich für unsere Argumentation, diesen zu erkennen und daran anzuknüpfen.
„Ökostrom ist teuer“: Ein Beispiel für einen Bestätigungsfehler
Wenn jeder Haushalt Ökostrom beziehen würde, wäre das ein großer Hebel, um die Energiewende zu beschleunigen. Das ist einleuchtend und logisch. Laut einer Umfrage* aus dem vergangenen Frühjahr beziehen dennoch bislang nur etwa 26 Prozent der deutschen Privathaushalte Ökostrom. Warum nur so wenig?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir auf die Gründe, die Menschen von einem solchen Wechsel abhalten. Einer Studie von Civey** zufolge begründen dies 41 Prozent der Befragten damit, dass der Preis zu hoch sei.
Das Interessante ist: Das stimmt gar nicht. Ökostrom bekommen wir mittlerweile mindestens zum selben, meist sogar zu einem günstigeren Preis als den konventionellen Strommix.
Wir haben es also vermutlich mit einem Bestätigungsfehler (Nummer 1) zu tun. Dieser beruht auf der generellen Erfahrung, dass „öko“ häufig teurer ist als konventionell. Hinzu kommt: Wenn „alle“ in meiner Umgebung dieser Meinung sind, bestätigt mich das in meiner verzerrten Wahrnehmung.
Das logische Argument „Wechsel zu einem Öko-Stromanbieter, wenn du die Energiewende beschleunigen willst“ alleine reicht also häufig nicht aus, um jemanden zum Wechsel zu bewegen. Es gilt, zunächst den Bestätigungsfehler zu entlarven und die Gruppenmeinung zu durchbrechen. Aber wie?
Texten auf Augenhöhe
Um diese Gruppe, die „Ökostrom“ als teurer wahrnimmt, von den wahren Fakten zu überzeugen, liegt es nahe, ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, mit dem sich die Preise schnell vergleichen lassen. Dies macht zum Beispiel die gemeinnützige Initiative wirklich-grün.de.
Wie geht sie dabei – in ihren Texten – vor? Auf ihrem Flyer, zum Beispiel, ruft sie dazu auf, „jetzt zu wirklich grünem Ökostrom [zu] wechseln“ und schreibt gleich noch dazu: „Überraschend preiswert, einfach, sicher und bequem.“
Interessant: In dem Flyer steht nicht einfach nur „preiswert“, sondern „überraschend preiswert“. Das ist ein geschickter Kniff, denn damit bestätigen die Autor:innen die Einschätzung der Adressierten, dass man dies nicht erwartet hätte. Sie begeben sich auf Augenhöhe. Das vermittelt Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen.
Ängste nehmen
Unter den weiteren Adjektiven findet sich „sicher“. Auch damit greift die Initiative häufige Vorbehalte auf, die sich als Bestätigungsfehler Nummer 2 entpuppen.
Laut Umfrage finden 24 Prozent der Befragten, dass der Markt bzw. die Anbieter undurchsichtig seien – dadurch entsteht Verunsicherung. Darüber hinaus ist die Vorstellung verbreitet, ein Wechsel des Stromanbieters könne zwischenzeitlich zu Stromausfall führen. Dann doch lieber beim altbewährten Anbieter bleiben, oder?
Mit ihrer Formulierung verspricht die Initiative das Gegenteil. – Und sie löst es ein, indem sie eine nach strengen Kriterien erstellte Auswahl „echter grüner Anbieter“ präsentiert und einen schnellen Vergleich mit dem bisherigen Anbieter ermöglicht.
Alles ganz einfach
Bleiben noch „einfach“ und „bequem“. Immerhin neun Prozent der Befragten glauben, der Wechsel sei zu kompliziert. Bestätigungsfehler Nummer 3: Bürokratische Prozesse sind kompliziert und störungsanfällig. Wer kennt das nicht vom Wechsel des Telefonanbieters? Auch dies wird durch die Formulierung entkräftet.
Das Versprechen „Überraschend preiswert, einfach, sicher und bequem“ ist also der erste Schritt, um Skeptische zum Wechsel zu motivieren. Es setzt an den Bestätigungsfehlern der Zielgruppe an und korrigiert diese. Beurteilen Sie selbst, ob es funktioniert.
Herzlichst,
Ihre Franziska Nauck und Nadja Buoyardane