Im zweiten Teil unserer kleinen Reihe geht es um den Kern des Protokollierens: Wie gelingt es Ihnen, das Wesentliche aus den Wortbeiträgen zu erfassen und effizient mitzuschreiben?
Ausführliche Verlaufsprotokolle oder gar Wortprotokolle werden eher in speziellen Kontexten geschrieben, etwa bei Parlamentsdebatten und Gerichtsverhandlungen. Und immer dann, wenn der Prozess der Meinungsbildung im Detail zu dokumentieren ist. Die Protokollierenden beherrschen dann Stenographie, eine Kurzschrift, ohne die das wörtliche Protokollieren gar nicht geleistet werden kann.
In den meisten Arbeitskontexten wünscht man sich dagegen ein Protokoll, das den Inhalt einer Sitzung thematisch strukturiert, möglichst prägnant zusammenfasst und die Ergebnisse festhält. Dabei werden nicht alle Wortbeiträge einzeln aufgeführt und der jeweiligen Rednerin zugeordnet, sondern nur die wichtigsten. Letztlich handelt es sich um ein Zwischending aus Verlaufs- und Ergebnisprotokoll: das Kurzprotokoll.
Sie haben Glück, wenn jemand die Diskussion professionell führt und immer wieder – „fürs Protokoll“ – die entscheidenden Aussagen zusammenfasst. Das sollte eigentlich der Standard sein, ist aber leider die Ausnahme und so müssen Sie sich ganz auf sich verlassen.
Daher versuchen Sie vielleicht – wie die meisten Protokollführenden –, nahezu jedes Wort mitzuschreiben, aus Panik, etwas Wesentliches zu verpassen. Allein Sie können dieses Tempo und die dazu nötige Konzentration nicht lange durchhalten und werden deshalb erst recht wichtige Aussagen verpassen.
Wie geht es besser? Durch aktives Zuhören. Das heißt: Schreiben Sie nicht sofort wild drauflos, sondern hören Sie sich einen Satz oder Halbsatz zunächst an, bevor Sie die Quintessenz in Ihren eigenen Worten zusammenfassen. Achten Sie beim Zuhören auf Schlüsselwörter und beschränken Sie sich darauf, diese zu notieren. Natürlich müssen die Zusammenhänge der Aussagen deutlich werden. Hierfür können Sie vielfach auf Symbole zurückgreifen, etwa auf ein „+“ statt „und“ oder Pfeile, die in alle möglichen Richtungen zeigen, Fragezeichen, Ausrufezeichen, Blitze … Entwickeln Sie Ihr eigenes System, um das Mitschreiben möglichst effizient zu gestalten.
Die wenigsten Redenden sprechen wie gedruckt. Häufig ist die mündliche Sprache voller Füllwörter oder ganzer Füllsätze. Manche drücken sich umständlich aus und kommen nicht zum Punkt. Andere nutzen bewusst rhetorische Mittel, indem sie z. B. Satzanfänge mehrmals wiederholen. Im Kurzprotokoll hat das alles nichts zu suchen, denn hier wird ausschließlich die Kernaussage festgehalten. Versuchen Sie also nicht, die wortwörtliche Formulierung aufzuschreiben, sondern fassen Sie diese Formulierungen kürzer zusammen! Fragen Sie sich dabei: „Was macht der/die Redende?“, und nicht so sehr: „Was sagt er/sie?“. Was beobachten Sie: Stimmt er zu? Widerspricht sie? Behauptet sie etwas? Stellt er eine Frage?
Nehmen Sie beispielsweise den Beitrag von Herrn Urban:
„Ich halte es für völlig unangemessen, uns im Nachhinein die Verantwortung für die Nichterfüllung der vereinbarten Projektziele zuzuweisen.“
Im Protokoll können Sie diese recht umständliche Formulierung so knapp zusammenfassen:
„Herr Urban lehnt die Verantwortung für das Scheitern des Projekts ab.“
Und nicht etwa nahezu unverändert wiedergeben, so wie ich es immer wieder in meinen Seminaren erlebe:
„Herr Urban halte es für völlig unangemessen, dass seinem Team im Nachhinein die Verantwortung für die Nichterfüllung der vereinbarten Projektziele zugewiesen werde.“
Das ist durch die indirekte Rede sogar noch länger als die wörtliche Aussage. Damit haben Sie den Anschluss an die nächste Aussage schon verloren.
Wie immer bei Veränderungen kostet es ein bisschen Mut, die Herangehensweise zu verändern. Deshalb üben Sie das am besten vor Ihrer nächsten Protokollsituation. Genau diesen Raum, eine neue Technik auszuprobieren, geben wir Ihnen in unseren Inhouse-Seminaren zum Thema. Zugleich können Sie selbständig üben, indem Sie mit bestehenden Wortprotokollen arbeiten: mit Redebeiträgen in Schriftform, bei denen Sie die Schlüsselwörter, also das Wesentliche einer Aussage, markieren. Dafür eignen sich z. B. sehr gut die Wortprotokolle von Bundestagsdebatten. Sie sind für jeden zugänglich und bieten eine unerschöpfliche Materialquelle.
Ein Beispiel: Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am 4. Juli 2018 in der Haushaltsdebatte zum Thema Digitalisierung (Quelle: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19045.pdf#P.4665; S. 4671 links unten)
„… Es gibt die dritte große Herausforderung, die uns umtreibt und die uns in der Bundesregierung in vielen Facetten beschäftigt: Das ist die Digitalisierung. Sie verändert unsere Art zu leben, sie verändert unsere Art zu arbeiten. Die neue Bundesregierung hat strukturell auf diese Frage geantwortet: Wir hatten jetzt die erste Sitzung unseres Digitalkabinetts. Wir haben eine Staatsministerin für Digitalisierung. Wir haben die Strukturen so angepasst, dass wir intensiv in den Fragen zusammenarbeiten. …“
„… Es gibt die dritte große Herausforderung, die uns umtreibt und die uns in der Bundesregierung in vielen Facetten beschäftigt: Das ist die Digitalisierung. Sie verändert unsere Art zu leben, sie verändert unsere Art zu arbeiten. Die neue Bundesregierung hat strukturell auf diese Frage geantwortet: Wir hatten jetzt die erste Sitzung unseres Digitalkabinetts. Wir haben eine Staatsministerin für Digitalisierung. Wir haben die Strukturen so angepasst, dass wir intensiv in den Fragen zusammenarbeiten. …“
„AM: 3. gr. Herausford: Digitalsg.; veränd. Leben + Arbeit; Bundesreg. hat Strukt. angepasst: Digi-Kabinett, Staatsmin.in f. Digitalsg. = intens. Zus.arb.“
„Frau Merkel nennt als dritte große Herausforderung die Digitalisierung. Diese verändere unser Leben und Arbeiten. Die Antwort der Bundesregierung liege in neuen Strukturen der Zusammenarbeit zum Thema: So gebe es jetzt ein Digitalkabinett und eine Staatsministerin für Digitalisierung.“
Aus 71 Wörtern Redebeitrag wird ein Protokolleintrag von 38 Wörtern.
Sie können das übrigens ebenso mit einem Kollegen, einer Kollegin üben: Eine liest den Text vor und der andere schreibt mit, ohne den Text vor Augen. Anschließend schauen Sie sich den Text an, markieren das Wesentliche und gleichen dies mit Ihrer Mitschrift ab: Wie viel Ballast enthalten Ihre Notizen? Wie hätten Sie das Gesagte knapper zusammenfassen können?
Apropos zusammenfassen: Legen Sie eine Liste an mit einschlägigen Verben, die ausdrücken, was der Redende mit seiner Aussage macht. Statt einfach nur „sagen“ haben wir einen riesigen Schatz an Ausdrucksmöglichkeiten. Finden Sie das treffende Verb! Ein paar Beispiele: beklagen, beschwichtigen, hervorheben, erinnern, bedauern, loben, einwenden, erläutern, erwägen, beharren und, und, und … Es gibt so viele Verben! Sammeln Sie sie, wann immer sie Ihnen begegnen. Auf diese Weise schaffen Sie sich eine sehr nützliche Formulierungshilfe.
Damit sind wir schon beim Ausblick auf den nächsten Newsletter: Denn mit diesen Verben leiten wir oft eine indirekte Rede ein, mit der wir einen Wortbeitrag wiedergeben, Stichwort: Konjunktiv. Um den Sinn und die korrekte Anwendung der indirekten Rede wird es im vorerst letzten Teil zum Thema Protokollschreiben gehen.
Nun aber viel Spaß und Aha-Erlebnisse beim Üben!
Herzlichst,
Franziska Nauck und Nadja Buoyardane
PS: Haben Sie auch ein Schreibthema, das wir einmal in unserem Newsletter unter die Lupe nehmen sollen? Dann schreiben Sie uns an: post@business-schreibkurse.de.