Wenn Sie unseren Blog schon eine Weile lesen, haben Sie es vielleicht gemerkt: Seit einigen Monaten gendern wir nicht nur, indem wir beide Geschlechterformen abwechselnd nutzen, sondern auch mit Doppelpunkt. Und falls es Ihnen nicht aufgefallen ist, dann haben wir so gut gegendert, dass das Argument, die Texte seien nicht lesbar, jede Substanz verliert. 😉
Das Gendern ist in den vergangenen Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In immer mehr Zeitungen, Zeitschriften und auch im Fernsehen und Hörfunk wird gegendert: indem konsequent beide Geschlechter genannt werden, durch Partizipien wie „Studierende“ oder „Teilnehmende“ oder durch die Genderpause, die Gendersternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt erzeugen.
Claus Kleber macht es im „Heute-Journal“, Talkmasterin Anne Will und „Aspekte“-Moderator Jo Schück in ihren Sendungen. Auch im Hörfunk, etwa beim Hessischen oder Norddeutschen Rundfunk, wird gegendert. Das bewusste Gendern hat damit sein Nischendasein in den akademischen Texten verlassen und ist in der breiten Bevölkerung angekommen.
Wer sich einmal ein Pressestatement der Fridays for Future anhört, wird merken, wie selbstverständlich viele Jugendliche und junge Erwachsene gendern – ohne darüber nachzudenken. Das, worüber also die Generation 40 plus, vielleicht auch noch 30 plus, seit Jahren, zum Teil heftig, diskutiert, wird hier einfach getan. Das zeigt, wie stark unsere Sprache von Gewohnheiten abhängt – und wie sie sich mit der Zeit verändert.
In der Unternehmenskommunikation ist das Gendern vielfach noch ein zartes Pflänzchen. In überwiegend männlich geprägtem Umfeld setzt es sich langsamer durch als in Unternehmen, in denen genauso viele oder sogar mehr Frauen arbeiten. Dies hängt sicherlich mit der persönlichen Wahrnehmung zusammen. Für Männer ist es schwerer nachvollziehbar, sich im generischen Maskulinum, also der verallgemeinernden männlichen Form, nicht oder nur über den intellektuellen Umweg „ich bin mitgemeint“ zu sehen.
So mögen die Sprechenden oder Schreibenden zwar im Kopf Frauen automatisch mitdenken, beim Hören oder Lesen entsteht jedoch zuerst das Bild eines Mannes vor unserem geistigen Auge. Für Männer ist diese Vorstellung völlig in Ordnung – entspricht sie schließlich dem eigenen Bild. Für Frauen hingegen nicht. Doch es ist wichtig, sich selbst wiedererkennen zu können, denn das erhöht unser Selbstwertgefühl. Das ist der Grund, warum unterschiedliche Repräsentationen in der Sprache wichtig sind. Anders ausgedrückt: Representation matters. (Wir haben leider keine deutsche Formulierung gefunden, die es annähernd so prägnant auf den Punkt bringt.)
Doch: Immer mehr Unternehmen wagen es, in der Kommunikation zu gendern. Auf der Website genauso wie in der Unternehmensbroschüre. Das wird mit der Zeit unsere Arbeitswelt verändern, weil es zu vielfältigeren Teams führt. Und Vielfalt ist gut für den Erfolg und die Innovationskraft von Unternehmen und Gesellschaft.
Gendergerechte Sprache ist wichtig, wenn wir zusammen an einer gleichberechtigten und chancengerechten Welt arbeiten wollen – und das wollen wir!
Sprache ist nicht nur Abbild unserer Wirklichkeit: Sprache schafft unsere Wirklichkeit. Deshalb ist es entscheidend, wie wir Dinge darstellen und formulieren: in den Medien, in Filmen, in unserer Unternehmenskommunikation. Representation matters.
Eine Studie von Dr. Dries Vervecken und Prof. Dr. Bettina Hannover (Freie Universität Berlin) zeigt, welchen Unterschied es macht, wenn wir etwas nur in der rein männlichen oder in einer geschlechterneutralen Form (be)schreiben*.
591 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren in Deutschland und Belgien wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Sie bekamen jeweils 16 Berufe vorgelesen. Einmal nur in der rein männlichen Pluralform, das andere Mal geschlechtergerecht in weiblicher und männlicher Form. Unter den Berufen waren acht so genannte „Männerberufe“ (weniger als 30 Prozent Frauenanteil), fünf Frauenberufe und drei geschlechtsneutrale Berufe.
Das Ergebnis: Die Kinder, denen die Berufe in der geschlechtergerechten Berufsbezeichnung vorgelesen wurden, trauten sich viel eher zu, diesen Beruf ergreifen zu können. Vor allem Mädchen konnten sich auf einmal vorstellen, einen so genannten Männerberuf zu ergreifen – schließlich hatten sie den Beruf ja als geschlechtsneutral vorgestellt bekommen. Also, wie schon geschrieben: Representation matters.
Allerdings zeigte die Studie auch: Die Kinder hatten bereits verinnerlicht, dass Frauenberufe als einfacher gelten und schlechter bezahlt sind. So wurden die Männerberufe, wenn sie in der geschlechtergerechten Form vorgestellt wurden, von den Kindern als weniger schwierig und weniger gut bezahlt eingestuft.
Wir gendern seit Langem und haben dabei verschiedene Wege ausprobiert. Nun haben wir uns für den Doppelpunkt als unser Lieblingsgenderzeichen entschieden. Da hat zwei Gründe.
Zum einen sieht der Doppelpunkt elegant aus und unterbricht das Wortbild kaum. Zum anderen trägt der Doppelpunkt für uns eine Metabedeutung. Die beiden Punkte symbolisieren die beiden extremen Pole unserer Geschlechterdefinitionen: männlich und weiblich. Dazwischen gibt es eine Lücke, diese Lücke ist wichtig, denn sonst würden wir keinen Doppelpunkt, sondern nur einen Strich sehen. Diese Lücke steht für alles, was zwischen den extremen Polen männlich und weiblich liegt.
Dabei ist uns auch immer wichtig: Wir gendern undogmatisch. Das heißt, immer so wie es an der Stelle und für den Text passt.
Mit diesem Newsletter möchten wir Sie ermutigen: Gendern Sie – auch im Beruf.
Herzlichst
Nadja Buoyardane und Franziska Nauck
Business-Schreibkurse
P.S. Das Team von genderleicht, einem Projekt des Deutschen Journalistinnenbundes, hat ein paar Ausschnitte zusammengestellt, die zeigen wie selbstverständlich inzwischen im Fernsehen gegendert wird: https://vimeo.com/430943940).
* Vervecken, D., & Hannover, B. (2015). Yes I can! Effects of gender fair job descriptions on children’s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy. Social Psychology, 46, 76–92.