Viele unserer Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer wünschen sich vor allem eines: möglichst schnell zum abgabereifen Text zu kommen.
In ihrem Arbeitsalltag herrscht Hektik und Druck. Daher soll alles, was sie schreiben, direkt verwertet werden, direkt für den Adressaten bestimmt sein. „Gehe direkt zum Ziel, mache keine Umwege“, ist die Maxime der meisten Menschen, die im Beruf schreiben. Doch manchmal ist der direkte Weg nicht der schnellste.
Jeder, der schon einmal im Gebirge gewandert ist, weiß: Oft ist es leichter und schneller, um den Berg herumzulaufen als über den Gipfel auf die andere Seite zu gelangen. Die Luftlinie über den Berg mag zwar kürzer sein, doch kostet sie mehr Zeit und Anstrengung – bis hin zur Erschöpfung.
Sie kennen sicher die japanische Weisheit „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“. – Für das Schreiben wird daraus: „Wenn du es eilig hast, schreibe einen Hilfstext.“
Schreiben ist eine äußerst komplexe Tätigkeit – ein Text ein fein gearbeitetes Gewebe unterschiedlicher Fäden: Inhalt, Struktur, Textsortenwissen, plus Leserorientierung. Auch Ihr Wissen über Grammatik, Wortschatz, über die Welt im Allgemeinen und Ihr Thema im Besonderen fließt in den Text mit ein – Sie laden es während des Schreibens in Ihr Arbeitsgedächtnis.
Umweltgeräusche, das Bedienen des Computers, die Meinung der Kolleginnen, Ihre Motivation und Ihre allgemeine Tagesform beanspruchen Ihr Arbeitsgedächtnis zusätzlich.
Doch mit dem Arbeitsgedächtnis ist es wie mit dem Computer: Wenn Sie zu viele Programme auf einmal öffnen, arbeiten Sie immer langsamer. Daher ist es sinnvoll, Ihr Arbeitsgedächtnis zu entlasten:
• Indem Sie die einzelnen Phasen des Schreibprozesses trennen (Je nachdem ob Sie lieber planend beim Schreiben vorgehen oder sich die Struktur lieber schreibend erarbeiten, kann dieser Prozess anders aussehen).
• Und indem Sie sich durch so genannte Hilfstexte langsam an den zur Veröffentlichung bestimmten Text, Ihren Zieltext annähern.
Hilfstexte helfen Ihnen beim Umgang mit den vielen Informationen, die Sie später für Ihren Text benötigen. Während dieser Text auf einen Leser zielen soll, ist ein Hilfstext zunächst einmal nur für Sie selbst.
Ein Hilfstext hilft Ihnen dabei, Ihre Gedanken zu ordnen und zu kategorisieren, Informationen zu sammeln und zu erinnern, Ideen zu generieren und zu strukturieren.
Ein Exzerpt, in dem Sie die Inhalte eines Fachtextes zusammenfassen, kann ein Hilfstext sein. Oder ein kurzes Freewriting, in dem Sie zunächst einmal all Ihre Gedanken zu Papier gebracht haben. Eine Gesetzesänderung im Vorfeld zu paraphrasieren und mit eigenen Kommentaren zu versehen, entlastet das Arbeitsgedächtnis. Genauso die Gedanken über Ihre Leserin, die Sie sich notiert haben.
Da ein Hilfstext nur für Sie selbst gedacht ist, brauchen Sie nicht lange an den Formulierungen zu feilen und können ihn ganz ohne Druck schreiben. Das wirkt sich positiv auf Ihr Schreibtempo aus.
Hilfstexte wirken auf mehreren Ebenen. Je mehr Sie nur für sich selbst schreiben, umso leichter fällt es Ihnen, flüssig den nächsten Schritt zu gehen: Ihren Zieltext zu schreiben.
Denn zum einem schreiben Sie immer öfter ganz ohne Druck und werden durch die Übung immer gewandter beim Formulieren. Zum anderen können Sie beim Schreiben Ihres Zieltextes nun auf Ihre Hilfstexte zurückgreifen. Sie fangen nicht bei null an, sondern haben bereits Ideen notiert, die Inhalte geordnet.
Sie brauchen nicht mehr Ihr gesamtes Recherchematerial durchzugehen, müssen nicht mehr so viel parallel in Ihrem Arbeitsgedächtnis jonglieren und können so schneller arbeiten. Zudem haben Sie bereits während der Arbeit an den Hilfstexten „im Kopf“ an Ihrem Zieltext gebastelt. Das wiederum wirkt sich auf Ihre Schreibgeschwindigkeit aus.
Lösen Sie sich also von der Vorstellung, jeder Satz, jeder Buchstabe, den Sie schreiben, müsse direkt veröffentlicht werden. Öffnen Sie sich dafür, mehr für sich selbst und bereits in der Vorbereitung auf einen Text zu schreiben. – So schreiben Sie am Ende leichter und schneller.
Probieren Sie es aus. Wir freuen uns wie immer auf Ihr Feedback.
Herzliche Grüße
Nadja Buoyardane und Franziska Nauck