Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn Sie den Lesern Ihrer Texte das Gefühl geben wollen, gemeint zu sein, dann sprechen Sie sie direkt an.
Allerdings – und jetzt kommt das Gemeine: Das „Sie“ allein garantiert noch nicht, dass Ihr Leser, Ihre Leserin sich auch wirklich angesprochen fühlt.
Wichtig für eine aktivierende und persönliche Ansprache ist, dass Sie beim Schreiben die Perspektive Ihres Lesers einnehmen. Dass Sie in den Mittelpunkt rücken, was dieser tut oder tun soll – und nicht, was Sie tun.
Schauen wir uns ein Beispiel an.
Wir-Perspektive
Wir bitten Sie, uns die ausgefüllten Unterlagen bis zum 12.12.2018 zuzusenden.
Sie-Perspektive
Bitte füllen Sie die Unterlagen aus und schicken Sie sie uns bis zum 12.12.2018.
Was genau ist nun der Unterschied zwischen beiden Ansprachen? Schließlich findet sich in beiden das Wort „Sie“. Ist damit nicht beides direkt an den Leser, die Leserin gerichtet?
Nein. Denn in der ersten Version stehen Sie als Schreibender im Mittelpunkt: Wir bitten Sie. Sie sind das Subjekt, also der / die Handelnde. Die Handlung ist das Bitten. Der Leser ist – grammatikalisch – das Objekt.
Das eigentlich Wichtige, nämlich das, was der Leser tun soll, steht im Nebensatz. Vielleicht erinnern Sie sich an die Regel: die Hauptsache in den Hauptsatz packen?
In der zweiten Version fordern Sie Ihre Leserin auf: Bitte füllen Sie … aus. Hier soll die Leserin selbst aktiv werden. Dadurch wird sie zum Subjekt, also zur Handelnden. Die Handlungen sind hier das Ausfüllen und Schicken. Das, worum es eigentlich geht.
Es braucht also nicht mehr den Umweg zu denken: „Oh, hier bittet mich jemand, etwas zu tun, also sollte ich es tun.“ Mit der direkten Ansprache aktiveren Sie Ihre Leser auch direkt.
Hier sind weitere Beispiele, damit Sie den Unterschied noch genauer sehen:
a) Heute senden wir Ihnen die gewünschten Informationen. = Wir-Perspektive
b) Heute erhalten Sie die gewünschten Informationen von uns. = Sie-Perspektive
Im ersten Beispiel sind wieder Sie der oder die Handelnde. Im zweiten Beispiel steht Ihr Leser im Mittelpunkt. Ebenso hier:
a) Wir bieten Ihnen drei verschiedene Modelle an. = Wir-Perspektive
b) Wählen Sie aus drei verschiedenen Modellen aus. = Sie-Perspektive
Hier wird es noch einmal ganz deutlich: Beim ersten Beispiel besteht die Handlung im Anbieten dreier Modelle. An dieser Stelle überlassen Sie der Leserin, was sie damit macht – Sie geben es komplett aus der Hand.
Dagegen formulieren Sie im zweiten Beispiel schon den nächsten Schritt. Damit senken Sie die Hürde für die Leserin, etwas mit dem Angebot zu machen. Sie aktivieren sie. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie eines der drei Modelle auswählen wird, steigt.
Wenn Sie also Ihre Leser zu einer Handlung bewegen wollen:
Schreiben Sie weniger Wir, schreiben Sie mehr Sie.
Herzliche Grüße
Nadja Buoyardane und Franziska Nauck