Vor kurzem sah ich, Nadja, in der U-Bahn die Werbung eines Lebensmittelherstellers. Eine leckere Gemüse Pfanne wurde darauf angepriesen. Doch anstatt Appetit darauf zu bekommen, sprang mein Schreibberaterinnen-Gehirn an. Denn während der Fahrt hatte ich Zeit, die Lücke zwischen Gemüse und Pfanne zu betrachten und mich zu fragen: Warum werden zusammengesetzte Substantive (gefühlt) immer öfter als zwei unverbundene Wörter geschrieben?
Eine Vermutung: Wir übertragen Regeln aus anderen Sprachen aufs Deutsche. Zum Beispiel aus dem Englischen. Denn dort werden Substantive wie cheese cake oder daylight saving time tatsächlich getrennt geschrieben. Die zweite Vermutung: Weil wir alle immer häufiger die falsche, unverbundene Schreibweise lesen, scheinen immer mehr Menschen unsicher zu werden – und schreiben mit Lücke.
Im Deutschen ist diese Lücke jedoch falsch. Hier müssen solche Wörter zusammen oder zumindest mit Bindestrich geschrieben werden.
Im Deutschen ist es möglich, durch das Zusammensetzen von Substantiven ein neues Substantiv zu schaffen, das den Sinn beider Substantive vereint. So wird aus dem Futter für den Hund ganz einfach Hundefutter, aus einem Platz zum Arbeiten der Arbeitsplatz.
Als Regel gilt dabei: Zusammengesetzte Substantive werden zusammengeschrieben.
Zwar wäre es auch möglich, Hunde-Futter oder Arbeits-Platz zu schreiben. Den meisten käme dies komisch vor, denn die Wörter sind so kurz, dass sie problemlos ohne Bindestrich gelesen werden können.
Ausnahmen: Abkürzungen, Einzelbuchstaben und Ziffern werden mit einem Bindestrich an das zugehörige Wort gebunden. Zum Beispiel bei Lkw-Reifen, x-Achse oder 4-jährig.
Nun gibt es im Deutschen kein Limit, wie viele Substantive aneinandergereiht werden können. Das macht die Wörter immer länger und damit immer schwerer auf einen Blick lesbar. Bei längeren zusammengesetzten Wörtern oder für Texte, die nur am Bildschirm gelesen werden, empfiehlt es sich daher manchmal, einen Bindestrich zu nutzen. Das erleichtert die Lesbarkeit.
Sie können also Bibliotheksausweislesegerät oder Bibliotheksausweis-Lesegerät schreiben. Was jedoch NICHT geht, ist Bibliotheksausweis Lesegerät mit Lücke dazwischen. Denn im Deutschen lesen wir unverbundene Wörter erst einmal als das, was sie sind: unverbunden nebeneinanderstehende Wörter. Erst wenn wir merken, dass dies keinen Sinn ergibt, setzen wir sie im Kopf wieder zusammen.
Doch was tun bei Zusammensetzungen, bei denen nicht einfach nur zwei (oder mehr) Substantive zusammengefügt werden? Also wenn zum Beispiel substantivierte erweiterte Infinitive oder Eigennamen im Spiel sind? Ganz einfach: Hier wird alles mit Bindestrich gekoppelt.
Ein Beispiel: Das Sich-in-eine-andere-Welt-Träumen ist eine besondere Fähigkeit des Protagonisten.
Ein anderes Beispiel: Manfred-Müller-Straße
Dabei gilt: Wenn einzelne Bestandteile einer Zusammensetzung mit Bindestrich geschrieben werden, gilt die Bindestrichschreibung für das gesamte Kompositum. Es heißt also nicht Manfred Müller-Straße sondern immer Manfred-Müller-Straße (mit zwei Bindestrichen durchgekoppelt).
Bei Eigennamen haben inzwischen viele Firmen oder Institutionen das Prinzip des Durchkoppelns aufgegeben. – Ob der Name vorher so oft falsch geschrieben wurde, dass man sich gesagt hat „Dann machen wir es gleich selbst falsch. Dann schreibt man uns richtig“, können wir nur vermuten. Wir wissen aber auch, dass Grafiker und viele Marketingleute Bindestriche regelrecht hassen, weil sie sie zum Beispiel im Logo als unschön empfinden oder weil sie möchten, dass der Firmenname immer unverbunden im Text steht …
So schreibt sich die Johann Wolfgang Goethe-Universität zum Beispiel inzwischen tatsächlich nur im letzten Teil gekoppelt. Ganz richtig nach Duden wäre hingegen Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. Also ganz durchgekoppelt.
Trotzdem: Als Faustregel sollten Sie, wenn Sie es nicht wissen, einfach alles durchkoppeln. Vermutlich wird keiner empört darüber sein, wenn Sie die Schreibregeln korrekt anwenden.
Nun kommen wir zum gefühlt häufigsten Rechtschreibfehler: der fehlenden Kopplung bei Begriffen, die teilweise aus englischen, teilweise aus deutschen Wörtern bestehen. Ein Beispiel:
1. Key Account Manager,
2. Key-Account-Manager
3. Key Account-Manager
Die Frage ist: Was ist korrekt? In diesem Beispiel könnten sowohl 1 als auch 2 richtig sein. Hier käme es darauf an, ob das Wort in einem englischen (Variante 1) oder in einem deutschen (Variante 2) Text steht.
Variante 3 sieht man zwar sehr häufig: Sie ist aber definitiv falsch. In beiden Sprachen.
Anders sieht es bei der Key-Account-Managerin aus. Hier ist das letzte Wort eindeutig deutsch. Und damit werden alle Wörter in der Zusammensetzung so behandelt, als wären es deutsche Wörter. Daher wird die Zusammensetzung komplett mit Bindestrichen durchgekoppelt.
Gleiches gilt für: Best-Practice-Beispiel, Win-win-Situation, Compliance-Management-Beauftragter u.v.m.
Beim Zusammensetzen von Substantiven gilt also nicht „Mut zur Lücke“, sondern Mut zum Zusammenschreiben bzw. zum Bindestrich.